Ja, meine Lieben, diesmal muss es sein: zwei Artikel zu ein und derselben Stadt. Es bleibt euch nicht erspart!

Die Busse waren diesmal zum Glück total okay und wir hatten auch richtige Sitzplätze. Das nervigste war die immense Lautstärke des Fernsehers im Bus. Sie zeigten zuerst den Film `Lincoln´, wo es v.a. um die Abschaffung der Sklaverei ging und dann zum wiederholten Mal einen Film, wo ein Typ auf der Suche nach seiner entführten Tochter ist und dabei alle ermordet, die ihm auf dem Weg unterkommen. Höllisch laut das Ganze! Propeller hatte gut damit zu tun seine Aggressionen, die durch diesen Lärm bei ihm ausgelöst wurden unter Kontrolle zu halten. Ansonsten war er eher beunruhigt, ob der späten Ankunftszeit, da wir es eigentlich vermeiden wollten bei Dunkelheit irgendwo – v.a. aber in einer großen Stadt – anzukommen. Lief aber alles gut. Ich war eher gestresst von der Tatsache, dass wir beim Grenzübergang lediglich einen Ausreisestempel aus Guatemala bekamen, jedoch keinen Einreisestempel nach El Salvador. Der Busfahrer versicherte mir jedoch, das habe alles seine Richtigkeit, die Erfassung läuft über Computer. Ich staune, lasse mich aber damit beruhigen.

Unser Plan war: einen Tag hier verbringen, um die Stadt zu besichtigen, Busticket für den nächsten Morgen kaufen und wieder abzischen. Nach einem morgendlichen Ostersonntags-Skypofonat mit Mum und Bru, nahmen wir also einen Bus ins Zentrum, um uns als erstes die Kathedrale anzusehen. Da dort gerade eine Messe stattfand, beschlossen wir zu warten und den Kathedralenrundgang später zu machen. In der Hoffnung am Plaza Barrios vor der Kathedrale einen Kaffee zu finden, was sich als sinnlos herausstellte, streunten wir durch die Gegend und gelangten zum Parque Libertad mit einer geflügelten Freiheitsstatue. Außerdem fanden wir da eine sehr spezielle Kirche, die Iglesia El Rosario. Von außen unscheinbar, von innen ein architektonisches Meisterwerk mit höchst angenehmer Atmo.

Generell ist meistens eine Messe, wenn wir in eine Kirche kommen oder es werden gerade, wie hier, Vorbereitungen für die nächste Messe getroffen. Speziell natürlich am Ostersonntag. Die Frömmigkeit, die einem in ganz Zentralamerika um die Ohren weht ist mindestens so erschreckend wie die vielen Wachposten, die speziell in San Salvador vor jedem Geschäft und Geschäftelchen positioniert sind – mit ihren Megafeuerwaffen. Es gibt landesweit angeblich 18 000 offizielle Sicherheitsbedienstete und unzählige private, die ebenso schussfest ausgestattet sind. Der Bürgerkrieg liegt 20 Jahre zurück und das Sicherheitsbedürfnis ist offensichtlich groß. Waffen und Gott helfen da anscheinend.

Auch was den Verkehr betrifft, scheint mensch sich hier hauptsächlich auf Gott zu verlassen. Auf jedem Bus stehen Sprüche wie: „Dios es el Amor“, „Dios nos acompana“ oder mein Lieblingsspruch: „Fe en Dios y adelante!“ (Glaube an Gott und vorwärts!) Leute bekreuzigen sich gerne, wenn sie in einen Bus einsteigen und dieses Gottvertrauen gibt dem Fahrer jede Freiheit sich durch den Verkehr zu bewegen.

Aber zurück zu unserer Stadtbesichtigung. In der Zwischenzeit habe ich einen Plan ausgearbeitet, der hauptsächlich unter dem Motto: „Auf den Spuren von Oscar Arnulfo Romero“ steht. Vor 15 Jahren habe ich eine Maturaarbeit über diesen Mann geschrieben und mich fast ein Jahr lang mit seinem Leben und Wirken beschäftigt. Dank meines Vaters ist die Arbeit auch irgendwann fertig geworden. Kurzgefasst könnte mensch sein Leben zusammenfassen mit: Vom konservativen Priester zum revolutionären Befreiungstheologen, der als Märtyrer für sein Volk starb – hingerichtet von paramilitärischen Truppen, Todesschwadronen. Jetzt befinde ich mich im Epizentrum des damaligen Geschehens und bin gespannt darauf sein Grab in einer Krypta der Kathedrale aufsuchen zu können. Mein Reise-und Lebensbegleiter ist zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich weichgespült und verstört, vor allem nachdem er in der Kathedrale von einer alten Frau gehauen wurde, weil er keine Kohle locker machte. Außerdem kann er mit diesem Romero nicht viel anfangen und beschließt deshalb am Plaza auf mich zu warten. Ich schaue mir also in aller Ruhe die Grabstätte dieses Mannes an und bemerke, wie sehr er nach wie vor verehrt wird. Menschen bringen Blumengestecke und berühren andächtig und voller Ehrfurcht den Grabstein. Überall in der Stadt hängen außerdem Flyer, die auf seinen 33. Todestag hinweisen, der kürzlich gefeiert wurde. Leicht enthusiasmiert komme ich auf den Platz zurück, wo ich meinen Liebsten gerade noch mit einer Frau um die Ecke biegen sehe. Ich folge ihnen unauffällig bis sich herausstellt, dass er ihr ein Essen kauft.

Der nächste Programmpunkt ist das Monumento Salvador del Mundo, Erlöser bzw. Retter der Welt. Der Versuch mit dem Bus hinzukommen scheitert, weshalb wir uns ein Taxi nehmen, die üblichen Preisverhandlungen durchführen und uns da hin fahren lassen. Meine bessere Hälfte, oder wie die Spanier sagen, mi media naranja, sitzt dehydrierend neben mir und will eigentlich nur mehr zurück in unser Zimmer. Er hat sich jedoch bereit erklärt diesen Platz noch aufzusuchen in der Hoffnung auf eine andere Umgebung – immerhin liegt diese Sehenswürdigkeit in der Zona Rosa, was eine teurere und dadurch eventuell bessere Gegend ist. Vielleicht gibt es da irgendwo eine Möglichkeit sich in eine Bar zu setzen und was zu trinken. Zugegebenermaßen ist das im historischen Viertel, das aus dem einen Platz mit Kathedrale, Theater und Bibliothek besteht und von einem monumental großen und stinkigen Markt umgeben ist, in dessen Mitte ein paar andere Kirchen wie abgeworfen wirken, wirklich nicht möglich. Beim Retter der Welt (eine Jesusstatue, die auf einem Globus steht) angekommen ist schnell klar, unsere Welt wird heute nicht mehr gerettet. Mir reicht´s auch und wir machen uns auf den Heimweg. Aus Unwissen machen wir einen riesigen Umweg und latschen 4km eine stark befahrene Straße entlang bis wir wieder bei der Kathedrale sind und von dort einen Bus zurück nehmen. Ich setze meinen total übermüdeten und entnervten Mann in unserer Unterkunft ab und beschließe das letzte Projekt des Tages in Angriff zu nehmen, das Hospital de la Providencia, kurz El Hospitalito genannt. Hier wurde Oscar Romero am 24.3.1980 umgebracht während er eine Messe las. Es überrascht mich, wie sehr es mich überwältigt, an diesem Ort zu sein und ich sitze eine Stunde in der kleinen Kirche. Dann breche ich auf, um innerhalb der vereinbarten Zeit wieder bei meinem Baby zu sein. Ein eindrucksvoller Tag für mich!

Leider hat die Weiterfahrt für den nächsten Tag nicht geklappt. Wir fahren also gleich in der Früh zu Tica-Bus, um uns ein Ticket für den übernächsten Tag zu checken, aber auch der Dienstag ist bereits ausgebucht. Wir versuchen es noch bei King Quality. Da ist es zwar teurer, aber auch voll. Ein Tiefpunkt! Prinz redet davon gleich nach Costa Rica zu fahren, ich rede von kleinen Dörfern in Nicaragua. Unsere Bedürfnisse und Sehnsüchte gehen auseinander. Wir brauchen einen Kompromiss. Wir sitzen am Gehsteig umgeben von King Quality Bussen und sind überfordert mit der Situation. Ein nettes Kaffee würde helfen, um die Lage zu überdenken, aber da ist absolut nichts. Etliche Zigaretten später fahren wir wieder zurück zu Tica-Bus und checken uns dort die Tickets für Mittwoch bis nach Managua in Nicaragua, die nächste Hauptstadt. San Jose in Costa Rica wäre ebenfalls mit einer Übernachtung in Managua verbunden gewesen. Die ganze Sache hat den halben Tag und viel Energie gekostet. Mit letzer Kraft machen wir uns auf den Weg zur Universidad Centroamericana José Simeón Canas, kurz UCA, wo das Centro Monsenor Romero beheimatet ist, das ich noch sehen will. Eine Busfahrt, viele Fragen und einen weiteren erschöpfenden Fußmarsch später, kommen wir endlich dort an und es wird uns mitgeteilt, dass die Uni heute noch geschlossen hat wegen Osterferien, es ist ja Ostermontag. Zurück im Quartier ist klar, Propeller hat die Stadt so was von satt und auch ich fühle mich ausgelaugt. Wenigstens haben wir unsere Tickets.

Am nächsten Tag starte ich nochmal einen Versuch zur UCA und alles klappt wunderbar. Das Zentrum ist hauptsächlich eine Gedenkstätte für sechs hier ermordete Jesuitenpriester (unter ihnen Segundo Montes, der in Innsbruck studiert hat), den Pater Rutilio Grande (Info für Insider:-), Oscar Romero und für weitere Opfer all der verheerenden Greueltaten, die in diesem Land passiert sind. Ich lasse mir Zeit bei meiner Besichtigung und habe außerdem noch Gelegenheit auf einem salvadorianischen Unicampus herum zu streunen und mir so die Wartezeit auf die morgige Busfahrt zu vertreiben.

Nachdem wir dann noch die üblichen Dinge wie Wäsche waschen, Geld, Wasser und Kekse checken erledigt haben, steht der morgigen 12 Stunden Fahrt nichts mehr im Wege. Das Taxi holt uns um 3:30 ab. Gute Nacht, San Salvador!