Da sitze ich nach einer 12-stündigen Busfahrt auf der Dachterrasse unseres Hostals. Plötzlich höre ich „Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffft“ gefolgt von aufgeregten Schreien aus dem Nachbarhaus und rieche Gas. Ich entschliesse mich die Zigarette auszumachen. Eine halbe Stunde später trifft die Feuerwehr ein und „löscht“ auf der Strasse eine grosse Gasflasche, bei der offensichtlich das Ventil abgefallen ist, mit Wasser. Willkommen in Managua!

Nachdem sich die Aufregung gelegt hat, beschliessen wir noch etwas trinken zu gehen und fragen den Jefe des Hostals in welche Richtung wir gehen können ohne erschossen zu werden. Die Antwort ist „Links“. Länder, wo es Standard ist, dass man sich nicht überall bedenkenlos bewegen kann, werden wohl nie zu meinen bevorzugten Urlaubsdestinationen zählen. Aber wie ich schon mal erwähnt habe, bin ich nicht auf Urlaub sondern auf einer Reise. Nach einem Liter Bier um einen Euro begeistert mich Managua ähnlich wie San Salvador, nur dass es mir hier noch heißer vorkommt. Eine verschwitzte Nacht später beschliessen wir das Weite zu suchen, nicht ohne vorher einen Taxifahrer anzuheuern, der uns in Blitzgeschwindigkeit zu allen wesentlichen Punkten der Stadt bringt, bevor er uns beim Busbahnhof abwirft. Die Stationen unserer Informationsfahrt:

Das historische Zentrum.

1975 war hier ein Erdbeben, welches das Stadtzentrum ausgelöscht und damit Managua seine Seele geraubt hat. Nur zwei Gebäude blieben stehen. Die alte Kathedrale, welche abgesperrt, mit beeindruckenden Sprüngen in den Wänden, in furchtbarem Zustand von dem schrecklichen Tag zeugt und ein in tadellosem Zustand befindlicher, amerikanischer Wolkenkratzer. Als wir um die Kathedrale gehen vermeiden wir laute Gespräche, um das Ding nicht doch noch dem Erdboden gleichzumachen. Eigentlich hätten wir uns hier, auch auf Grund unseres grandiosen Reiseführers, noch ein ganzes Viertel von eingestürzten Bauten erwartet, welches wir für eine bedrückende Fotoserie nutzen wollten. Doch scheinbar und laut Information unseres Taxifahrers wurde alles plattgemacht, um wenig später, im uns mittlerweile bekannten Wellblechhüttenstil von der armen Bevölkerung eingenommen zu werden. Die Kriminalitätsrate hier ist hoch genug um relativ schnell wieder ins Taxi zu steigen.

Nächster Stop: Der „Hafen“ – Nicapark

Hier muss erstmal Maut bezahlt werden, um überhaupt hinein zu kommen. Drinnen erschlägt uns ein Sammelsurium von Bars und Farben. Hier wurde ein Gebiet ganz den Touristen (und reichen Nicaraguanern) gewidmet, in dem man sich abends mit viel Alkohol die Stadt schön saufen kann. Die Stadtverwaltung muss hier den Auftrag gegeben haben, sämtliche Farben aufzukaufen und auch zu verwenden. Sinniger weise wurden Parkbänke zusätzlich mit optimistischen Sprüchen verziert. Jetzt am Vormittag ist hier tote Hose, also auf zu Stop Nr. 3:

Der seltsamste Platz, den ich kenne.

Der Platz ist riesig! Auf der einen Seite steht so etwas wie eine Muschel begleitet von einem gigantischen Stahlturm welcher einen Davidstern trägt. In der Mitte des Platzes steht eine Säule mit dem Bildnis von Papst Johannes Paul II. Dahinter steht absurderweise eine Boeing 747 begleitet von zwei Schiffen auf denen optimistische Parolen zu lesen sind. „La alegria vivir en paz!“ (Die Freude in Frieden zu leben!) Dieser Platz, auf dem Wahlen abgehalten werden, erzeugt in mir ein Gefühl der Trostlosigkeit wie Ostberlin.

Der Vollständigkeit halber rasen wir noch weiter zur neuen Kathedrale. Ich sag nur Kugeln mit Würfeln oben drauf – zwar erdbebensicher jedoch ästhetisch jenseits von gut und böse.

Nicht ohne die wirklich gefährlichen Gebiete grossräumig zu umfahren, bringt uns unser Taxifaher beim Hostel vorbei, wo wir unsere Rucksäcke einladen, anschliessend zum Busbahnhof. Hier werden, noch bevor wir bezahlt haben, sofort unsere Rucksäcke in den Bus nach Granada eingeladen, was uns mächtig stresst. Baby braucht unbedingt noch Futter und besorgt sich eine miese Tortilla, während ich, mich an die Tür des Busses klammernd, versuche ebendiesen vom Losfahren abzuhalten. Wenig später brausen wir entnervt die überraschend gute Strasse nach Granada entlang.