Nach einem Flug und einem Temperaturabfall von 30 Grad sind wir in Südamerika angekommen und ich meinerseits verkühlt. Abgesehen davon, dass wir uns nun auf 2800 Meter Seehöhe befinden und hier jeden Tag einmal der Jahreszyklus von Frühling (Vormittag), Sommer (Mittag-früher Nachmittag), Herbst (später Nachmittag) und Winter (Nacht) durchlaufen wird, ists hier ähnlich wie in Panama City, denn Teile der Stadt sind Grossbaustelle. Wir treffen Bernd, der uns unsere Unterkunft organisiert hat und schon seit Februar hier ist. Das letzte Mal haben wir uns kurz vor unserer Abreise bei unserem Verabschiedungsmarathon in Hallein bei einem exzellenten Spanier getroffen. So ist es ein wenig seltsam, hier in Quito in einem italienischen Restaurant zu sitzen als wäre in den letzten drei Monaten nichts passiert.

Baby und ich sehen uns die Altstadt an, die einmal mehr davon zeugt, welch „grossartige“ Arbeit die europäischen Eroberer, Besatzer und Missionare geleistet haben. Ein schönes koloniales Gebäude jagt das Nächste, nur unterbrochen von mit bis zu zwei Tonnen Gold ausgestatteten Kirchen.

Am nächsten Tag sitzen wir im Hop-On-Hop-Off Bus, der diesmal im Gegensatz zu Panama City wirklich Sinn macht, denn er fährt interessante Gegenden an. Nachdem wir das moderne Museum besichtigt haben, sehen wir uns die Basilica an, welche den Eindruck erweckt, als wäre Notre Dame hierher versetzt worden. Unser Weg führt uns über steile Treppen auf Türme über das Gewölbe des Hauptschiffs und über noch steilere Treppen in luftige Höhen, wo wir mit einem grossartigen Ausblick über die Stadt belohnt werden. Leider ist heute kein besonders gutes Fotowetter und so strauchelt unsere Kamera mit den Licht- und Smogverhältnissen.

Nach einem Imbiss, fahren wir auf 3000 Meter Seehöhe wo eine riesige Statue der Virgen de Quito steht, welche von unserem Reiseführer als hässlich bezeichnet wird. Wir finden sie, ganz im Gegenteil, sehr hübsch und imposant. Den Weg vom Hügel hinunter begleitet uns ein Kärntner, der sich uns aus Sicherheitsgründen anschliesst – schliesslich werden drei Personen seltener Ziel von Überfällen als Einzelpersonen. Er ist gerade in Quito angekommen und steht am Anfang einer viermonatigen Reise auf der wir uns vielleicht wieder einmal über den Weg laufen werden.

Zwei Kirchen später sind wir wieder in unserer Unterkunft und meine Verkühlung macht mir zu schaffen. Unsere Reisemüdigkeit und die Sehnsucht nach einem Plätzchen, wo wir mal ein zwei Wochen nichts tun wollen, sind wieder voll da. Am nächsten Tag ziehen wir um, denn sooo super ist die Unterkunft nicht. Im Bad gibt’s kein Fenster, nur ein grosses Loch in der Wand, wo die Kälte der Nacht direkt Zugriff auf meine Bronchien hat, Frühstück gibt’s sowieso nicht und Aufenthaltsraum auch nicht. Ein paar Stunden genervter Suche später haben wir eine nette Unterkunft gefunden, welche unseren Ansprüchen genügt. Wir beschliessen mal ein paar Stunden nichts zu tun, was bedeutet, dass ich mich ins Bett verkrieche und Baby entspannt einen Artikel über die Reise in Zentralamerika zu Ende bringt. Husten und Schnupfen kündigen eine Sensation auf unserer Reise an: morgen werden Baby und ich wohl getrennt voneinander verbringen müssen, was bisher noch nie passiert ist. Bernd hat nämlich eine Tour zu einem Kratersee, Quilotoa Loop organisiert, die ich mir schwitzender Weise im Moment nicht zumuten will.

Baby ist mit Bernd unterwegs und ich bin vom schnellen Internet begeistert, was mich dazu bringt, mir etliche Fernsehsserien anzusehen, einen Blogartikel zu posten und Musik zu hören. Bin schon gespannt, was Baby vom Ausflug erzählt.

Die nächsten Tage in Quito sind von Bronchitis und Reisemüdigkeit geprägt, was dazu führt, dass uns sogar die freundlichsten Leute hier massiv auf die Nerven gehen und wir sicher nicht das beste Bild für europäische Touristen abgeben aber wahrscheinlich halten uns eh die meisten für Amerikaner. Mit Bernd ist das auch so eine Sache. Er steckt in einer kafkaesquen Liebe und wir sind im Moment einfach nicht auf einer Wellenlänge. Trotzdem vielen Dank für die netten Treffen, den Apero bei seiner Gastgeberfamilie, das feine Abendessen und überhaupt. Ja, wir waren schon mal besser drauf und unser 2,5 x 2,5 Meter grosses Zimmer trägt das seine dazu bei.

Auch wenn sich die Bronchien von Baby anhören wie ein sehr altes, sehr kaputtes Gerät, besteht ihre Art der Erholung in einer Busfahrt zum Nullmeridian des Äquators, der hier in der Nähe ist und ich fahre natürlich mit. Als wir das Taxi verlassen empfängt uns eine Mischung aus Rummelplatz, Muttertagswahnsinn, schlechter Hochzeitssalsaband und eben dieses Monument, das 180 Meter neben dem eigentlichen Equator steht, weil sich der Herr Marie de La Condamine damals verrechnet hat. Unseren, im Moment tiefschwarzen Auren zum Trotz, machen wir lustige Clownfotos. Die Fahrt zurück machen wir hustend mit dem Bus, weil die Taxifahrer hier glauben wir sind Gringos und haben unsere eigene Dollardruckmaschine dabei.

Wir beschliessen ultimativ, diesmal wirklich, auf jeden Fall, an der Küste von Equador ein Apartment zu finden, wo wir uns einige Wochen erholen können. Unsere Wahl fällt nicht zuletzt wegen der frenetischen Begeisterung mehr oder weniger Einheimischer auf Canoa. Nach ein wenig Internet-Recherche finde ich auch DAS PLÄTZCHEN! Es ist ein Turm. Im Erdgeschoss befinden sich Garage und Waschküche, im ersten Stock der Wohnraum mit Küche und Balkon, darüber gibt’s eine unfassbare 360° Dachterasse. Zusätzlich geht mit dem Ding ein von mir lang gehegter, geheimer Traum in Erfüllung – wir haben einen eigenen Hubschrauber Landeplatz vorm Haus, umrandet von Kokosnusspalmen. Das ganze liegt 300m vom Strand entfernt, ein Supermarkt liegt auch in der Nähe und der Vermieter meldet sich freundlich innerhalb von 5 Minuten auf unsere Anfrage. Das Beste: wir bekommen den Turm um €423.- für zwei Wochen!!! Nun müssen wir nur noch diesen einen Direktbus nach Canoa finden, was uns nach dem Abgrasen von drei Busstationen und viel Fragerei auch gelingt. Als wir zurück in unser Mikrozimmer zurück kommen, habe ich die absurde Idee den Turm auf Google-Maps zu suchen und finde ihn – in BRASILIEN – der Tag ist gelaufen und die Buchung gecancelt.

Am nächsten Tag geht um 22:45 der Bus nach Canoa (in Equador) und wir verbringen ihn damit uns ein Taxi zu mieten und damit quer durch die Stadt zu rasen um Teile eines grossen Street-Art-Projektes abzufotografieren und anschliessend ins Kino zu gehen. Am Abend treffen wir uns ein letztes Mal mit Bernd in unserer Unterkunft. Dort erzählt uns ein Amerikaner seine atemberaubende Lebensgeschichte, welche sich vom zwei Jahre dauernden Fronteinsatz im schlimmsten Gebiet von Vietnam über das Heimkommen nach Amerika zur Hochblüte der Anti-Vietnam Demonstrationen und anschliessender, erflogloser Arbeitsplatzsuche über jahrelange Meditation in Tibet, Indien, Spanien, seine Frau aus Kuba, Mexiko nach Equador zieht – absolut hollywoodtauglich. Nach zwei Bier gehen wir noch mit Bernd was essen und rasen dann zum Busbahnhof, wo wir den Tip bekommen uns Kaugummi zu kaufen, weil wir mit einer Bierfahne nicht mitfahren dürfen. Pünktlich um 22:45 verlassen wir kaugummikauend einen der unzähligen Busbahnhöfe von Quito.

Was soll ich sagen, unser Einstand in Südamerika hätte besser verlaufen können und wir sind uns mitlerweile sicher, dass wir nicht zu Jenen gehören, die von einer mehrjährigen Reise ausschliesslich mit glänzenden Augen der Verzückung berichten. Wir befinden uns in einem seltsamen Zustand zwischen auf einer fantastischen Reise sein, sich nicht wohlfühlen aber auch nicht heimwollen – höchst interessant – da gibt’s Verbesserungsspielraum nach oben.

P.S.: je länger man durch Quito läuft, umso mehr hört man Touristen aber auch Einheimische husten und rotzen – ich nenne das ab jetzt „den Sound von Quito“.