Iquitos ist heiß und feucht. Es gibt 30.000 Mototaxis. Erreichbar ist die 370.000 – Einwohnerdschungelstadt per Flugzeug oder per Boot. Es gibt keine Straßen hierher. Wir wohnen im Hotel El Colibri, womit wir sehr zufrieden sind. An der Rezeption wird uns auf Nachfrage die Agentur Wimba für eine Dschungeltour empfohlen. Sie ist gleich ums Eck und wir werden dort sehr nett behandelt und ausführlich informiert. Wir bedanken uns, wollen uns aber noch ein bißchen umsehen und vergleichen. Allerdings ist Sonntag und manche Agenturen sind geschlossen – so leider auch die Touristeninfo. Nach einem Überlegungs-Pisco und einem Gespräch mit einem anderen privaten Tourguide steht unser Entschluss fest. Wir buchen bei Wimba. Nervosität und Vorfreude mischen sich, wir decken uns bei der Apotheke noch mit Moskitoschutz ein, fragen noch mal nach wegen Malaria und sind froh, dass wir unser Antibiotikum nicht einnehmen müssen.

Am nächsten Tag (8.7.) um 9:00 früh starten wir von der Agentur aus, wo wir auch unsere großen Rucksäcke deponieren können, mit unserem guia Heine. Per Mototaxi ruckeln wir als erstes zum Hafen, von dort dann mit dem Boot den Rio Itaya entlang, der nach etwa 20 Minuten Fahrt in den Rio Amazonas mündet. Wir sind beide sofort überwältigt. Obwohl wir uns hier am Oberlauf des Amazonas befinden und er von seiner späteren Breite noch nichts erahnen lässt, empfinden wir ihn als sehr mächtig und die Weite beeindruckt uns. Laut Heine beträgt die Tiefe hier ca. 50 Meter, später (in Brasilien) ist der Amazonas bis zu 100 Meter tief. Diese Info wurde noch nicht geprüft. Die Nachricht von der Existenz dieses größten Flusses weltweit gelangte 1542 durch den Spanier Fransisco de Orellana nach Europa. Die Vorstellung davon, wie es in der Regenzeit, wenn alles geflutet ist, aussieht ist vage. Etwa 2,5 Stunden schippern wir den Amazonas entlang und genießen es in vollen Zügen. Wir legen beim Dorf San Juan irgendwas an und spazieren 20 Minuten durch das Dorf auf die andere Seite, wo uns der Rio Yanayacu und ein anderes Bötchen erwartet. Nach fünf Minuten kommen wir in der Wimba Lodge an und fühlen uns gleich wohl. Es gibt einen großen Essens-und Aufenthaltsraum, der von einem feinen Moskitonetz umspannt ist. Alles ist sauber und über Stege erreichbar. Rauchend und Bier trinkend warten wir bis die anderen Gäste von ihrer Tour zurück kommen und es Mittagessen gibt. Serviert wird ein leckerer Amazonasfisch mit Reis, Dschungelspaghetti aus Palmherzen und Salat. Die anderen Gäste werden abgeholt, für sie geht es zurück nach Iquitos. Übrig bleiben außer uns zwei noch Andrés, ein Spanier aus Burgos und Júan aus Lima. Wir beziehen unser Zimmer, das sehr viel Platz bietet und sind abermals zufrieden. Unser Nachmittagsausflug steht an, aber es schüttet, was das Zeug hält. Mipu hält ein Schläfchen in der Hängematte und auch ich mache die Augen für eine Weile zu. Starker Amazonasregen prasselt auf unser Palmendach und versetzt alles rundum in Schlamm, Sumpf und Matsch. Als der Regen aufhört werden wir mit Gummistiefeln ausgestattet, wandeln über die aus Baumästen gelegte Brücke zurück zum Boot und fahren zur Affeninsel. Es stellt sich heraus, dass es sich um eine Art Kurzentrum für verschiedene Tiere handelt. Eine Anaconda liegt recht lustlos herum – die Arme hat irgendwas auf den Schädel bekommen und muss sich erstmal erholen. Da sie etwas angeschlagen ist, rät der sympathische Betreiber davon ab, sie um mich zu wickeln. Dafür kriegen wir einen Tucan und einen Papagei auf je einen Arm gesetzt. Der Papagei hat ein wenig Angst vor dem Tucan und ist froh, als er wieder das Weite suchen kann. Endlich treffen wir auch auf einen Ameisenbären. Ein liebes , witziges und vor allen Dingen sehr harmlos anmutendes Geschöpf, das sich aber – wenn es die Situation erfordert – hervorragend wehren kann, indem es seine Krallen ausfährt und damit sogar einen Jaguar zerreißen kann. Affen bestürmen uns und ich habe gleich wieder zwei am Körper hängen, was mich sehr an unseren Aufenthalt in Lopburi, Thailand erinnert. Mipu hat dann einen davon die ganze Zeit über wortwörtlich am Hals kleben. Es gibt Kapuzineraffen, Spidermonkeys, Squirrelmonkeys und noch ein paar andere Arten. Außerdem den ärmsten Affen der Welt. Er hat auch irgendeine Krankheit und ist so herzzerreißend arm, dass wir ihn nur knuddeln möchten. Wir sehen unser erstes Faultier, das sich von Mipu herumtragen lässt, eine merkwürdige Schildkröte und ein Tier dessen Nam´ und Art sich mir nicht erschließt. Obwohl die Tiere hier auch der Touristenunterhaltung dienlich sind, leben sie zumindest in freier Natur und machen einen guten Eindruck (im Vergleich zum Zoo in Iquitos, den wir zu einem späteren Zeitpunkt besuchen werden und dieser Besuch wird für lange Zeit wieder der letzte in einem Zoo für mich gewesen sein). Touristen fördern letztlich auch das Fortbestehen des Kurzentrums. Nach den ganzen Viechereien gab´s noch die Anpreisung einer Anacondasalbe gegen Rheuma und Gelenkbeschwerden, sowie eines Saftes namens Sangre del Dragon. Diesen schönen Wundertrank, der überraschenderweise nicht wirklich aus Drachenblut, sondern aus reinem Baumharz besteht und sämtliche Leiden heilt, musste ich haben.

Ganz langsam fahren wir dem Sonnenuntergang entgegen und halten Ausschau nach Delfinen. Hier gibt es neben den grauen auch die seltenen pinken Delfine. Es sind zwar welche in unserer Nähe, aber sie sind scheu und zeigen sich nicht wirklich. Nur einmal blitzt ein rosafärbiger Rücken auf. Während langsam die Sonne untergeht, hüpfen wir vom Boot aus ins Wasser und plantschen im Amazonas. Unser Glück ist perfekt! Seelig werden wir durch diese unglaubliche Landschaft aus sattem Grün und rosa-violett verfärbten Himmel zurück in unsere Unterkunft geschaukelt. Wenn ich das lese, muss ich unweigerlich an die kitschigen Poster von springenden Delfinen vor rosa-violett-orangem Hintergrund denken, die in meiner Hauptschulzeit so aktuell waren. In echt, ist´s besser.

Es dämmert bereits und die Stunde der Moskitos ist eingeläutet. Zwei Gringos auf einem Boot, gerade frisch aus dem Wasser (also kein Mückenschutz mehr dran) sind ein gefundenes Fressen. Das letzte Stück der Bootsfahrt habe ich das Gefühl meine Oberschenkel werden mit Nadeln gespickt. Der dünne Stoff meiner Hose ist für diese Blutsauger kein Hinderniss. Mein Süßer kommt zum Glück etwas besser davon, worüber ich sehr froh bin. Schließlich wollte ich unbedingt hier her, soll auch ich gestochen werden. Er hat sich in Iquitos schlauerweise noch mit einer Dschungelhose ausgestattet. Das Jucken hält sich zum Glück in Grenzen und so lässt es sich aushalten. Die Stickzählaktion am nächsten Tag gewinne ich mit 69 Stichen von der Hüfte abwärts. Im oberen Bereich ist´s weniger. Nach dem Abendesssen machen wir mit Heine noch eine nächtliche Kanufahrt am Rio Yanayacu, ein Schwarzwasserfluss. Es ist sehr abenteuerlich in einem kleinen Kanu nur knapp über dem Wasser dahinzugleiten. Ich sitze hinten und paddle, Heine vorne und Baby in der Mitte. Es ist dunkel – ausgenommen Heines Stirnlampe, die den Weg voraus leuchtet – und wir achten auf die Geräusche um uns herum. Wenn ich mich umdrehe schaue ich ins Schwarz, das vom Himmel her noch etwas erhellt wird, sodass ich die Schattenumrisse von Bäumen und anderen Pflanzen wahrnehmen kann. Bei Vollmond muss das der absolute Hammer sein. Wir begegnen ein paar Vampirfledermäusen, vielen Fröschen – hauptsächlich bull frogs, die einen mordsmäßigen Lärm veranstalten und springenden Fischen, darunter auch Piranhas. Ein Fisch springt sogar in unser Boot, mein Prinz rettet ihn heroisch, indem er mit bloßer Hand zupackt und ihn zurück ins Wasser schmeißt. Dem großen Kaputano ist bei dieser ganzen nächtlichen Unternehmung nicht ganz wohl und so ist er vermutlich froh, als wir wieder umkehren. Allerdings legen wir am Rückweg einen kurzen Stopp ein und stapfen wieder durch den Matsch, um einen Bull Frog aus nächster Nähe zu betrachten, der natürlich aus Angst verstummt und erstarrt. Monsieur macht schnell ein Foto und wir lassen den Armen wieder in Frieden. In der Lodge trinken wir mit Andrés und Juan noch ein Gutenachtbier im Dunkeln bei einer kleinen Tischlampe, denn Strom gibt´s nur von 18:00 bis 21:00 dank eines erschreckend lauten Generators, der bestimmt dafür sorgt, dass sich in diesem Zeitraum nicht all zu viele Tiere um die Lodge herum aufhalten.

In der Nacht regnet es wieder, aber wir haben Glück, der Regen hört rechtzeitig auf, sodass wir zum Sonnenaufgang um 5:30 unseren nächsten Ausflug unternehmen können. Per Boot fahren wir wieder ein Stück flussaufwärts und treffen dabei auf jede Menge Vögel, von denen ich mir nur den Amazonian King Fisher gemerkt habe und einen sehr interessanten wiederkäuenden Vogel – was es alles gibt. Irgendwo legen wir an und stapfen ein weiteres Mal durch den Schlamm zu einem sagenhaften Riesenceibabaum. Im Vergleich dazu könnte der von Costa Rica, den wir bei Longo Mai gesehen haben, das Baby von diesem Giganten sein. Er ist ca. 40 Meter hoch und wunderschön. Unser Bootsmann, ein ehemaliger Soldat, klettert beschwingt an den kräftigen Lianen ein gutes Stück nach oben. Mir genügt es, an einer Liane zu schwingen und davon tun mir schon die Hände weh. Auf dem Heimweg zur Unterkunft geht uns das Benzin aus und wir legen bei diversen Häusern an, um Nachschub zu bekommen. Das verzögert die Fahrt etwas, was zur Folge hat, dass wir es nicht vor dem nächsten Regenguss zurück schaffen und waschelnass werden. Mein Prinz ist leicht angesäuert, da er Heine noch gefragt hat, ob wir Regenjacken mitnehmen sollen, was verneint wurde. Er selber hatte seine Jacke an, da ihm bei den morgendlichen 19 Grad kalt ist. Nach dem Frühstück besuchen wir in unseren nassen Sachen, die jetzt schnell wieder trocknen, da die Sonne herunterbrennt, ein indigenes Volk vom Stamm der Yaguas. Die Männer tragen Baströcke, die Frauen rote Röcke, die Kinder nichts. Der Anführer spricht in seinem Dialekt zu uns, was angeblich niemand übersetzen kann und bemalt unsere Gesichter mit stinkiger roter Farbe. Es wird getanzt und wir beide fühlen uns nicht recht wohl in unserer Haut und mit der Art von Showprogramm. In der Hoffnung, dass es bald vorbei ist, fügen wir uns dem Ganzen und machen mit. Zum Abschluss erproben wir uns noch im Giftpfeilschießen via Blasrohr, dann sollen wir Kunsthandwerk kaufen. Da wir uns im Vorhinein bei der Agentur erkundigt haben, geben wir den Yaguas stattdessen Milch in Dosen, die wir mit uns geschleppt haben und sind somit aus dem Schneider. Da ich weder Schmuck mit echten Babypapageienfedern oder Anacondahaut noch ein Baby (kein Scherz!) kaufen will, ist das Programm hiermit beendet und wir schippern wieder in die Lodge. Das Piranha-fischen canceln wir, weil wir sowieso keine fangen wollen, auf das Mittagessen verzichten wir aber nicht. Wir verabschieden uns von Andrés und Juan, die noch länger bleiben und sagen dem Dschungel für dieses mal adíos! Am Abend kommen wir wieder in Iquitos an und feiern unsere Mini-Amazonasexpedition mit mehreren Pisco Sour. Ich bin meinem Dschungelbaby sehr dankbar, dass er sich auch zu diesem Erlebnis hat hinreißen lassen und ich nun einen Hauch Amazonas in mir trage. Eine Rückkehr zu einem späteren Zeitpunkt ist nicht ausgeschlossen.

In Iquitos suchen wir noch den berühmt-berüchtigten mercado Belén, sowie ein Rescue Zentrum für Seekühe auf, die mich glatt umhauen. Liebe auf den ersten Blick. Das Zentrum hat es sich zur Aufgabe gemacht Babyseekühe zu retten, die verletzt sind, keine Seekuheltern haben oder von Einheimischen als Haustiere gehalten und dabei krank werden, weil sie nicht sachgemäß versorgt werden oder schlicht gegessen werden. Seekühe fressen Algen und sind deshalb von unschätzbarem Wert für den Wasserhaushalt. Leider gibt es auch von ihnen immer weniger und so lassen wir einiges an Kohle für das Zentrum springen. Die jungen Seekühe werden übrigens wieder in die Freiheit entlassen, wenn sie bereit dafür sind.

Danach besichtigen wir leider noch oben erwähnten Zoo. Artgerechte Tierhaltung ist hier nicht angesagt. Das beste daran ist die schöne und ruhige Lagune.

Den Abend lassen wir gemütlich an der Uferpromenade ausklingen und genießen die Wärme bevor es am nächsten Tag wieder zurück ins kalte Lima geht.