Auf der Ruta del Sol fahren wir in einem Bus der Linie Transzela dahin. Die Landschaft mit ihren felsigen Bergen, gelben Hügeln, grünen und blau-grünen Bäumen und den darin verstreut angeordneten Rindern, Schafen und Alpacas, sowie einzelnen sehr niedrigen Häusern mit die Sonne stark reflektierenden Aludächern, zieht an uns vorbei. Die Ruta del Sol verbindet Cusco mit Puno. Auf ihrer Strecke befinden sich noch zwei, drei Sehenswürdigkeiten, die wir auslassen. Natürlich gäbe es auch Busse, die all diese Stopps beinhalten, aber wesentlich teurer sind und wieder dieses Touritourprogramm abziehen, das wir in letzter Zeit genug ausgekostet haben. Also verzichten wir auf Raqchi, Pucará und einen Halt am Pass und freuen uns darüber, dass wir endlich wieder einmal bei Tag fahren können. Bislang waren in Peru nur Nachtfahrten möglich, was seine Vorteile hat (die Ersparnis einer Übernachtung), aber auch seine Nachteile, wie das Warten auf den Bus und das Entgehen dieser sagenhaften Naturschauspiele.
Ich denke zurück an Machu Picchu, wo wir vor ein paar Tagen waren. Einer der wenigen Fixpunkte, den wir bereits vor der Reise geplant hatten. Nachdem wir mittlerweile schon so viele und so unterschiedliche Ruinenstätten gesehen haben – insgesamt kurz überschlagen nämlich um die 25 – waren wir natürlich auf das sagenumwobene Mapi, wie wir es ab sofort liebevoll und einfacherheitshalber nennen, sehr neugierig. Nichts desto trotz haben wir dennoch versucht die Erwartungshaltung zu drosseln. Propeller hat gemeint, er kann sich nicht vorstellen, dass ihn Mapi noch mehr umhaut, als so manch andere Stätte und wir sind ja durchaus nicht größenfixiert. Manchmal sind es gerade die kleineren, schnuckligen Plätze, die etwas besonderes ausstrahlen. Außerdem war klar, dass wir uns momentan in der Hochsaison für Mapi befinden und sich täglich mindestens 2.000 Menschen hier tummeln. Bei dem Gedanken, dass wir zwei uns da mitten drinnen durchwurschteln müssen, kam in mir nicht gerade ein spirituelles Gefühl auf.
In dieser Stimmung kamen wir also in Aguas Calientes, auch Machu Picchu Pueblo genannt, an, das uns sowohl vom Loneley Planet als auch von anderen Reisenden als vom Tourismus total zerstörter Ort beschrieben wurde, in dem mensch, wenn es denn sein muss, gerade mal eine Nacht verbringen kann. Wir hatten eine sehr angenehme Zugfahrt von Ollantaytambo bis hierher und finden den Ort auf den ersten und letztlich auch auf den zweiten und dritten Blick – trotz seines touristischen Angebotes – recht charmant. Er besteht zwar tatsächlich fast ausschließlich aus Unterkünften und Lokalen, aber diese befinden sich in sehr schmalen Gässchen bergauf und bergab links und rechts eines Flusses. Auch Thermalquellen gibt es hier. Die sollen aber leider ziemlich unhygienisch und dreckig sein, wie uns sogar von unserer Reiseagentur mitgeteilt wurde. Wir hatten keine Zeit diese Aussage zu überprüfen. Das beste an Aguas Calientes ist aber, dass es bedeutend wärmer ist als in Cusco. Immerhin liegt es ca. 1.300 m tiefer auf 2.090 und das macht sich bemerkbar. Nachdem wir das Zimmer bezogen haben, unsere Jausenbox für den nächsten Tag vorbestellt haben (statt dem Frühstück) und zusammen mit ein paar anderen Leuten kurze Instruktionen von unserm Tourguide für den nächsten Tag erhalten haben – es drehte sich hauptsächlich darum, dass wir uns um punkt 9:00 beim Eingang von Mapi treffen, was hundertfach und bilingual wiederholt wurde – nutzen wir die Happy Hour in einem der Lokale, wo es uns die angenehme Temperatur sogar erlaubte im Freien zu sitzen. Bemerkung am Rande, es hatte 9°C – daran ist gut erkennbar, wie kalt uns in Cusco war. Jedenfalls verbrachten wir dort einen sehr netten Abend mit Gerry Kessler und Joseph Hader. Naja, fast. Zwei sehr sympathische Österreicher, die gewisse Ähnlichkeiten mit obig genannten Promis aufweisen. Insgesamt haben wir auf unserer fast halbjährigen Reise also jetzt genau 7 ÖsterreicherInnen getroffen.
Als ich am nächsten Tag um 4:45 vom Klingen des Weckers erwache und meine Augen aufschlage, bin ich sofort enthusiasmiert. Alle Bedenken und Schlechtredereien sind weggespült und ich kann es nicht mehr erwarten. Heute sehe ich Machu Picchu – es ist soweit!!!
Propeller ist nicht ganz so drauf wie ich, sondern würde sich lieber auf die andere Seite drehen und weiterschlafen. Aber nichts zu machen. Wir haben vor den ersten Bus um 5:30 zu erwischen, damit wir gleich um 6:00, wenn die Pforten öffnen, hinein können. Gut ausgestattet mit mehreren Kleidungsschichten (man weiß ja nie), Jause, Sonnen-und Moskitoschutz machen wir uns auf den Weg zum Bus. Unsere großen Rucksäcke haben wir zum Glück gar nicht erst mitgenommen, sondern in Cusco deponiert. Wie erwartet stehen dort schon einige Leute in der Schlange, die auf den Bus warten. Eine andere Schlange gegenüber wartet auf das Öffnen des Ticketschalters. Wir reihen uns in die Busschlange ein, denn wir haben schon alles. Ich kaufe mir einen Kaffee bei einer schlauen, sehr geschäftstüchtigen Inkaoma und freue mich wie ein kleines Kind auf Weihnachten. Ich verkürze Propeller die Wartezeit und unterhalte ihn mit allem, was mir gerade durch den Kopf geht – und das ist viel. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich ihm auch ein, zwei Ohrwürmer vorgeträllert. Er nimmt es gelassen hin, eigentlich schläft er noch, ist rein körperlich anwesend.
Endlich startet der erste Bus, der zweite und dritte gleich hinter her. Das läuft hier wie am Schnürchen. Eine halbe Stunde werden wir die kurvenreiche Straße hinauf gefahren, um dann in der nächsten Schlange am Eingang anzustehen. Aber auch hier dauert´s nicht lange und wir sind mit unseren – dank Studienausweisen – verbilligten Karten drinnen.
Nach einigen Stufen, erhasche ich den ersten Blick auf Mapi und mich spült es sofort dahin. Die Tatsache endlich selber an diesem Ort zu sein von dem ich schon so viele – wenn auch immer die gleichen – Bilder gesehen habe, überwältigt mich und bringt mich zur Rührung. Von Emotionen getragen latsche ich in der morgendlichen Dämmerung weitere Stufen nach oben, um dann mit DEM typischen Postkartenblick belohnt zu werden. Propeller gibt sich bedeckt und konzentriert sich auf die Fotografie. Wir machen es uns in der Nähe des Grabfelsens bequem und genießen unser Frühstück – bestehend aus Bananen, einem Müsliriegel, Brot und Orangensaft – in dieser spektakulären Kulisse. Langsam wird die Landschaft vom Licht der aufgehenden Sonne bestrahlt und als diese dann plötzlich hinter den Bergen auftaucht wird alles magisch. Das lässt jetzt auch den bislang ungerührten Propeller nicht mehr kalt, sondern weckt Emotionen. So stehen wir eine Weile Arm in Arm im Sonnenlicht und vergessen die anderen hundert Menschen um uns herum. Bis es irgendwann Zeit für eine Zigarette ist und wir uns auf den Weg machen, das restliche Mapi zu erkunden. Es zieht uns zur Puente del Inka, worunter ich mir fälschlicherweise eine mächtige Zugbrücke vorgestellt habe. Tatsächlich handelt es sich um ein paar gewöhnliche Bretter, die über eine Ausbuchtung von einem waghalsig in Felsen gehauenen Pfad gelegt werden. Das war damals der einzige Zugang zu der Anlage. Ich kann mir bei dem Anblick des Weges kaum vorstellen, dass die BewohnerInnen selber es hierher geschafft haben, geschweige denn, dass irgendwelche Feinde jemals hierher gekommen wären. Die Spanier haben es offensichtlich und glücklicherweise jedenfalls nicht geschafft. Eine wahrlich gut geschützte Festung für die Oberen 800 des damaligen Inkavolkes.
Dann ist es Zeit den ganzen Weg wieder zurück und hinunter zum Eingang zu gehen, um Edi, den Guide, und die Gruppe dort zu treffen. Gemeinsam geht’s abermals den Berg hinauf und hinein in die Anlage mit all den ehemaligen Wohnhäusern, Tempeln, landwirtschaftlichen Terrassen, einer Schule und dem sogenannten Observatorium. Alles garniert mit einigen historischen und anderen wissenschaftlichen Facts, wie der Tatsache, dass 80% des Gesamtkomplexes rekonstruiert sind und so mancher Annahmen, wie beispielsweise jener, dass ganz Mapi in einem Zeitraum von 50 Jahren erbaut wurde. Wir können uns das beim besten Willen nicht vorstellen. Schon deshalb nicht – und das ist wirklich nicht böse gemeint – weil wir die Geschwindigkeit der peruanischen Bevölkerung in den vergangenen Wochen ein bisschen kennengelernt haben. Tempo ist hier echt nicht angesagt!
Nach der Führung haben wir noch ein wenig Zeit zwischen den Ruinen abzuhängen bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen und nach einem kleinen Pisco mit Nachos wieder den Zug nach Ollantaytambo besteigen.
Und der Clue von der Geschicht, verzicht´ auf Machu Picchu nicht!
One Response to Mapi, Epizentrum der Inka
Auch die geneigte Leserschaft ist machu-pichumäßig enthusiasmiert u.vor allem erleichtert,dass wir wieder von euch gehört haben.seid liebstens gedrückt vom Mama u.Nanna.Bei uns passt auch alles.