Warum fährt man nach Xpujil, mitten in der Pampa vom Bundesstaat Campeche? Wegen dem Reizklima der staubigen Strasse, dem Lärm vorbeidonnernder 35 Meter LKWs und den Cucarachas ganz sicher nicht!Dieser Ort dient neben der Versorgungsaufgabe der umliegenden Gegend ausschliesslich als Basisstation für unser nächstes Vorhaben: Pyramiden für Fortgeschrittene.

Der Plan: vier Mayastätten an einem Tag. Gut, das war ursprünglich nicht so geplant, denn eigentlich wollte meine Wenigkeit nur nochmal nach Calakmul, das mir vor vier Jahren das Hirn weggeblasen hat. Doch unser Taxifahrer Ezequiel hat einen anderen Vorschlag und da wir mit mexikanischen Vorschlägen bisher überaus gut bedient waren, lassen wir uns auf die Tour Grande ein.

Um 8:00 starten wir nach einem Becher Löskaffee und den üblichen Atemübungen Richtung Becan. Dort angekommen ruft uns Ezequiel „dos horas“ (zwei Stunden) zu und wir bemerken, dass wir keine Uhr dabeihaben. Kein Problem nur etwas erhöhter Schwierigkeitsgrad.

Becan ist eine schöne Anlage mit einem Wassergraben rundherum und einigen sehr interessanten Gebäudekomplexen. Wir sind hier alleine – wunderbar. Das besondere an Becan ist, dass alle Gebäude begehbar sind – Absperrungen aus Sicherheitsgründen haben sich hier noch nicht herumgesprochen. Überall finden sich Durchgänge, Plateaus und Treppen, die in geheimnisvolle, vergangene Welten führen. Sofort stellt sich das mayaesque Gefühl von vier Jahren ein, das einen befällt, wenn man auf einer Pyramide steht, einige weitere Gebäude sieht und dann der schier endlose Wald rundherum beginnt – stille, nur der Wind rauscht durch die Bäume.

Exakt nach zwei Stunden stehen wir wieder beim Taxi und wenig später halten wir bei Chicanna. Die Anlage ist deutlich kleiner, hält aber für uns Feinspitze erste Reliefs bereit, welche nicht die letzten des Tages sein sollten. Wir haben eine Stunde zeit. Während wir durch die Anlage schlendern, immer den suchenden Blick auf Besonderes, Anregendes, Schönes bemerken wir, dass es langsam warm wird und machen uns immer gegenseitig darauf aufmerksam genug zu trinken. Eineinhalb Stunden später stehen wir wieder beim Taxi und haben eine weitere Mitfahrerin Olivia. Nachdem Ezequiel ja immer auf uns am Eingang wartet, hat er sich wohl einen Zeitvertreib eingeladen.

Nächster Stop: Balakmu. Eigentlich eine unspektakuläre Anlage, wären da nicht diese perfekt erhaltenen Reliefs, welche wir erst entdecken, als plötzlich ein Mann auftaucht, während wir gerade im Schatten versuchen nicht total zu dehydrieren und uns mitteilt, dass er für uns „eine Türe aufsperrt“. Hinter ebendieser verbirgt sich der Schatz dieser Mayastätte, welcher wirklich sehenswert ist. Hier sieht man so ziemlich die gesamte Bandbreite von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, von Erde, Zwischen- und Unterwelt – beeindruckend. In dem Raum ist es so heiss und schwül, dass wir uns Sorgen machen, die archeologische Stätte mit unserem Schweiss wegzuspülen.

Gegen 13:30 brauchsen wir Richtung Calakmul und mich beschleicht ein dumpfes Gefühl, dass wir dort später ankommen werden, als mir lieb ist. Ich wollte ursprünglich möglichst viel Zeit in Calakmul verbringen, weil mir ein Gebäudekomplex in Erinnerung geblieben ist, den ich weiter erforschen wollte. Dazu kommt, dass man wenn man erstmal am Eingang von Calakmul angekommen ist, gute zwei Kilometer in der Urwald latschen muss, um erste Gebäude zu sehen. Ausserdem ist Calakmul sehr weitläufig – geschätzte 6500 Gebäude wurden hier gezählt und das steigert die Möglichkeit, sich zu verlaufen ins Unermessliche. Ezequiel unterhält sich blendend mit der hübschen Olivia, während er mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch das Naturschutzgebiet rast. Da war doch noch was, fällt mir ein und tatsächlich halten wir plötzlich bei einem mit „Gefahr-Bändern“ abgesperrten Weg, der direkt in den Urwald führt. Wir steigen aus und gehen schnurstracks in das Gefahrengebiet , indem Ezequiel uns fürsorglich die Absperrbänder hochhält, damit wir durchschlüpfen können. Ezequiel bringt uns zu einem kleinen Teich, der das Partyzentrum aller Moskitos im Biosphärenpark Calakmul sein muss. Er deutet auf den Teich „Krokodile“. Wenn man genau hinsieht, erblickt man den Panzer eines Krokodiles, dass hier seinen Schönheitsschlaf hält. Nach dem wir nicht total vor Begeisterung ausflippen, geht er mit uns durch Dickicht an eine andere Stelle am Ufer wo wir ein weiteres Krokodil mit seinem Babykrokodil antreffen. Zumindest ein wenig angeturned verlassen wir den Teich wieder und sehen noch einige grosse Affen auf den Bäumen über uns heruntergrinsen. Hätten sie Armbanduhren, würden sie darauf deuten und uns zurufen „bis ihr in Calakmul seid, ist die Sonne hinter den Bäumen verschwunden – viel Spass beim Fotografieren, ihr Vollkoffer“.

Aus dem Augenwinkel sehe ich verschwommen den Urwald vorbeifliegen, währen ich die Uhr auf dem Autoradio fixiere. 14:15 und noch 40 Kilometer Dschungelstrasse liegen vor uns – scheisse! Meine Laune war auch schon mal besser.

Nun ja, endlose 50 Minuten später springen wir aus dem Taxi und hören Ezequiel noch irgendwas von „zwischen fünf und halb sechs auf Pyramide eins“ rufen, während wir in den Urwald rasen. Baby trägt meine Laune und ihre Blasen an den Füssen mit Fassung. Natürlich nehmen wir instinktiv den längsten Weg, den man in Calakmul wählen kann und stehen irgendwann vor der grössten Pyramide der Anlage, welche bereits aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit in gelbliches Licht getaucht ist. Nach ein paar unmotivierten Fotos und der Überlegung was wir jetzt machen sollen fange ich mich wieder – oder besser Calakmul fängt mich. Wir gehen ein gutes Stück weiter und passieren schöne, umfangreiche Gebäudekomplexe, wie ich sie in dieser Frequenz nur von Calakmul kenne. Wir haben mitlerweile gute vier Liter Wasser intus und beschliessen zur grossen Pyramidezurückzugehen und von oben den Sonnenuntergang zu bewundern. Als wir oben sind, ist der Ausblick wie schon vor vier Jahren gewaltig. Baby packt unser Abendessen Tortillas und scharfe Dosensauce aus. Es ist ein äusserst exklusives Abendessen hier an diesem speziellen Ort. Da unsere Kraftreserven noch nicht aufgezehrt sind, machen wir noch lustige Rote-Nasen-auf-der-Pyramide-Fotos und bemerken plötzlich zwei Menschen, die auf eine Pyramide in der Umgebung aufsteigen – Ezequiel und Olivia. Aus dieser Begebenheit, muss irgendwer mal einen Comic machen – wir sitzen auf der falschen Pyramide! Als sie oben angekommen, sind winken sie uns entgegen. Wir überlegen eine ganze Weile, ob es sich noch ausgeht, die Pyramide zu wechseln. Nach einigen Denkzigaretten entschliessen wir uns zum Abstieg. Glücklicherweise, finden wir auf Anhieb den richtigen Weg zur Pyramide Nummer eins und rasen sie hinauf! Total erledigt kommen wir oben an und lachen erstmal mit Ezequiel und Olivia über die absurde Situation. Nachdem das letzte Wasser ausgetrunken ist, versinken wir und Calakmul im Sonnenuntergang.

Später beim Abstieg teilt uns Ezquiel mit, dass er das Taxi unten vor der Pyramide geparkt hat – das nenn ich mal VIP-Service. Bevor wir ins Taxi steigen, schauen wir noch einigen Affen zu, wie sie von einem zum nächsten Baum springen – sehr schön.

Auf dem Weg raus aus dem Reservat beeindruck mich Ezequiel erneut mit seiner straffen und direkten Fahrweise. Nachdem um die Uhrzeit kein Gegenverkehr zu erwarten ist, wir das Tempo dementsprechend angepasst. Ich muss sagen, bisher habe ich die Automarke Nissan immer ignoriert und auch unser Taxi dieser Marke ist vom Interieur äusserst geschmacklos gestaltet. Allerdings scheint der Wagen auf der Strasse zu kleben und auch einiges an Leistungsreserven zu haben – sehr cool. Nachdem Olivia bei ihrem Zuhause und wenig später wir beim Hotel abgeliefert werden, bin ich überzeugt, dass Ezequiel im eigentlichen Leben Ralleyfaher ist.

Dies war unser Tag zum Thema „Pyramiden für Fortgeschrittene“. Es hat sich gelohnt, es war speziell und grossartig.