Dachterrassen sind enorm wertvoll: Luft, Luft, Luft und Platz! Gerne ein kleines Zimmer ohne Fenster, wenn es dafür eine Terrasse gibt – wie es hier im Hostal Ummagumma der Fall ist, im Lonely Planet als liebevoll heruntergekommen beschrieben. Sehr charmant ausgedrückt. Liebevoll bezieht sich meiner Meinung nach vor allem auf die Wände, die bunt gestrichen sind und teilweise sogar recht hübsche Verzierungen aufweisen (auch wenn ein erneuter Anstrich nicht schaden würde). Mit heruntergekommen dürfte wohl vor allem das gemeinsame Bad gemeint sein, das ein winziges Waschbecken, ein Klo und eine Dusche beinhaltet und für zehn Zimmer pro Stockwerk (es sind zwei) reichen muss. Für meine Begriffe verdient es durchaus den Ausdruck „grintig“.

Wir sind am Donnerstag nach einer ca. achtstündigen Fahrt bei Regen in Antigua angekommen. Da wir trotz Vorwarnungen von wegen Semana Santa natürlich keine Reservierung vorgenommen haben, ließen wir uns zuerst in ein Hostal bringen, das uns von einem jungen Typen namens Christian in Lanquin empfohlen wurde. Tatsächlich entsprach dieses jedoch bei genauerer Betrachtung nicht unseren Vorstellungen von Preisleistungsverhältnis, weshalb wir unseren Rücksäcken ihren Regenschutz überstülpten – im Gegensatz zu uns – und uns so auf Quartiersuche begaben. Wir wurden fündig in einem Hostal mit dem praktischen Namen „El Hostal“. Nicht billiger, aber sauberer. Bei mir machte sich plötzlich totale Erschöpfung breit und ich war weder in der Lage mich auf den Weg zur Dusche zu machen, noch auf Futtersuche zu gehen. Die vier Nächte im Dschungel, die Anspannung bei unseren Höhlentouren, die langen Fahrereien und die vielen Eindrücke der letzten Zeit machten sich in Form von Überreiztheit bemerkbar. Das Schlimmste aber war der unerträgliche Juckreiz an Füßen, Beinen, Hintern und Rücken – seien es Mücken, Wanzen oder sonstwas es trieb mir die Tränen in die Augen. Propeller ging es nicht viel besser, aber das Hungergefühl überwog und er machte sich auf nach draußen. Ich erholte mich, indem ich unser Zimmer vollqualmte und dabei mit Sabine, Pascale und Heike chattete. Danach ging´s wieder und auch ich konnte die Fressmeile aufsuchen. Nachdem ich mir dort den Bauch mit Käsetortilla und Gemüse vollgeschlagen habe, stand einem tiefen Schlaf nichts mehr im Wege – dachte ich. Da habe ich noch nicht gewusst, dass in unserem Hostal eine Horde sehr bierdurstiger Amimädls und -burschen wohnt, die außerdem eine besorgniserregende Begeisterung für das Spiel Tabu an den Tag bzw. in die Nacht hinein legte. Je mehr Bier, desto lauter, heftiger und wirrer wurden Spiel und Diskussionen. Mensch kennt das ja. Unser Zimmer, das letzte, das zumindest für diese Nacht frei war, war im Erdgeschoss direkt an der Bar-Spielstation. Irgendwann war auch das vorbei und wir fielen in einen dumpfen Schlaf.

Am nächsten Vormittag wieder Zimmersuche. Umzug. Bezahlen gleich für drei Nächte. Froh sein. Ein traumhafter Salat mit Roquefort, Birnen und Prosciutto, endlich wieder ein richtiger Cappuccino und eine prachtvolle Prozession durch die ganze Stadt versöhnten uns wieder mit allem und wir konnten den Tag richtig genießen.

Gestern war um 4:20 Tagwache, da um 5:00 wieder irgendeine Prozession stadtfinden sollte, was wir ÜberKulturinteressierte uns natürlich nicht entgehen lassen. So latschten wir in der morgendlichen Dunkelheit quer durch die Stadt zur Iglesia Fransisco, wo sich ca. 100 Frauen und drei Männer (einer davon meiner, einer der Pfarrer) versammelt hatten. Wir dachten schon, da ist jetzt einfach eine Messe, aber dann stellte sich heraus, das es sich um einen Kreuzweg handelt. Betend wurden die 14 Stationen abgegangen bis zum El Calvario, Kalvarienberg. Ich fand dieses Erlebnis sehr schön, wenngleich ich in Telfs bestimmt nicht davon Gebrauch gemacht hätte. Ich fühlte mich an meine Ur-Heimat in St. Michael erinnert und versuchte das Vater Unser auf spanisch. (Nein, ich kann es nicht.) Bei der neunten Station machten wir jedoch kehrt, da mein Lieblingsprinz in seiner frühmorgendlichen Verschlafenheit nicht bedacht hat, dass die Morgenstunden auf 1300m doch frisch sein können und ein leichtes T-Shirt da nicht ausreicht. Den restlichen Tag gestalteten wir dafür sehr gemütlich. Ich verbrachte ihn lesend auf der Terrasse und auch Mr. Katapulsky betrieb Stillbeschäftigung. Als Abschluss suchten wir das Lokal „Wiener“ auf. Ja, tatsächlich und was darf da natürlich nicht fehlen…ein Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat, ganz genau! Ich machte mir keine großen Erwartungen und wurde nicht enttäuscht. Kann man lassen, obwohl der Zucker in der Panier (bzw. die Verwendung von süssem Brot für die Brösel) schon ein bißchen von unserem Rezept abweicht.

Heute, Palmsonntag, selbstverständlich eine Megaprozession. Start um 11:00, Ende um 23:00! Oh ja, die nehmen das Osterfest mehr als ernst. Menschenmassen, VerkäuferInnen an allen Ecken und Enden und Riesenteile mit Jesus, Maria und sonstigem, die durch die Gegend geschleppt werden. Einmal schwankte so ein Teil gefährlich nahe in unsere Richtung und ich sah mich schon begraben unter einem Kreuz tragenden Jesus. Wie dem auch sei, diese Stadt lernen wir aufgrund der Prozessionen kennen – so kommt mensch überall hin.

Haben jetzt um eine Nacht verlängert und uns entschlossen morgen einen aktiven Vulkan zu erklimmen. Die Freude auf diese Tour hält sich beiderseits in Grenzen. Ich will zwar unbedingt auf einen Vulkan steigen, aber es müsste nicht jetzt schon sein. Allerdings bietet dieser sich in mehrfacher Hinsicht an und so wagen wir es morgen und freuen uns umso mehr auf den Lago Atitlan, von dem wir uns wieder Erholung, ein gutes Bad und eine benutzbare Küche in wunderschöner Umgebung versprechen. Gefährlich hohe Erwartungshaltung, ich weiß 🙂

 

Ansonsten bin ich ziemlich durch mit Antigua. Es ist eine hübsche Stadt, in der Tat und ist auch vergleichbar mit San Cristóbal, wie viele sagen. Ich für meinen Teil, finde San Cristóbal spannender – auch wenn Antigua lange Zeit Guatemalas Hauptstadt war und aufgrund der zu häufigen Erdbeben als solche aufgegeben wurde. Viele Ruinen von unzähligen Kirchen zeugen von den Schäden, die all die Beben hier angerichtet haben dienen nun – genauso wie die unzähligen wieder aufgebauten – als Attraktionen. Sehenswert wäre noch der Mirador de Cruzes, aber heute wird das nichts mehr. Mein Prinz ist bereits eingeschlafen und ich genehmige mir jetzt ein Bier und beobachte die herannahende Dämmerung.