Wir sind (für mich überraschender Weise) am Ende unserer Mittelamerika-Durchquerung angekommen und befinden uns in Panama. Eine gute Gelegenheit, innezuhalten und zusammenzufassen!

Ich bin mir ja nicht zu schade, immer wieder Zimmerpreise, etc., zu nennen. Das mache ich auch nicht zum Spaß und schon gar nicht, um mich darüber aufzuregen, was uns diese fantastische Reise kostet, sondern um Lesern, die ebenfalls überlegen nach Mittelamerika zu reisen, die aktuelle Preislage zu erklären. Nach einer Stunde massiven Rechnens und der Durchsicht unseres Reisekontos können wir sagen, dass Mittelamerika im Jahr 2013 um €38.- pro Person pro Tag zu machen ist. Drunter geht’s auch, aber niemand, den ich kenne, will das :).

Mit €38.- kommt man teilweise klimatisiert, meistens durchgeschwitzt und mit viel Körperkontakt von A nach B. Man nächtigt in kakerlakenfreien Zimmern ohne besonderem Komfort, hat die Möglichkeit, sich (Sinnes-)Eindrücke zu verschaffen, die einem Niemand mehr nehmen kann und die mit Österreich wenig bis gar keine Gemeinsamkeiten aufweisen.

Für mich, als jemand, der äußerst sensibel auf seine Sicherheit bedacht ist, war es bis hier her problemlos möglich, mit Notebook, Kamera, Pass und einigen Kreditkarten zu reisen, solange man nicht besoffen in einen Bus steigt und immer ein wachsames Auge auf seine Sachen und die Umgebung hat. Zum Thema Sicherheit kann ich anmerken, dass Stacheldraht, mit Glasscherben gespickte Mauern und vergitterte Fenster hier oft zum ungewohnten Alltag werden und es manchmal schwer fällt, sich in einer ebenso ausgestatteten Unterkunft nicht als Gefangener zu fühlen. Die Freundlichkeit der Leute nimmt von Norden nach Süden hin ab, die Hilfsbereitschaft nicht.

Unvermeidbar sind krasse Temperaturunterschiede (0-38 Grad) in kurzer Zeit, Luftfeuchtigkeit bis zu 100%, Sandfliegen, Flöhe und Moskitostiche. Ohne genau gezählt zu haben, schätzen wir, dass man trotz Insektenspray in drei Monaten Mittelamerika ca. 140 Stiche pro Person abkriegt, die einem schon mal den einen oder anderen Tag vermiesen.

Ebenfalls unvermeidbar sind jedoch auch das Kennenlernen von Reisenden (zum Teil begleitet von vielen Drinks), Einheimischen (mit viel Geschichte) und eine permanente Flut von Eindrücken, welche auch während der Reise verarbeitet werden wollen.

Das Reisen und die Unterkunftssuche an sich gestalten sich wesentlich einfacher als vor Reisebeginn angenommen. Busse oder zumindest Touristen-Shuttles sind überall zu finden und wenn man am Busbahnhof keine befriedigende Auskunft über die Fahrpläne bekommt, dann erhält man spätestens beim Reifenhändler oder Kioskbetreiber um die Ecke die richtigen Antworten. Lonely Planet und Tripadvisor sind nach wie vor gute Informationsquellen für die Zimmersuche aber wenn man erst unterwegs ist, findet man sein Plätzchen ganz von alleine, indem man sich einfach ein oder zwei Unterkünfte ansieht.

Kulinarisch ist bei den €38.- pro Person alles von feinstem Fisch und Steak bis Reis und Bohnen dabei. Wenn man mal das einheimische Essen satt hat, findet sich eine internationale Fast-Food Kette meist um die Ecke.

Wasserratten kommen auf der Karibikseite, am Pazifik, den vielen Seen und Flüssen auf ihre Kosten – wenn man ohne Liege und Sonnenschirm leben kann, gratis.

Kulturell und architektonisch erstreckt sich die Bandbreite von Pyramiden, Kirchen, kolonialen Gebäuden zu dreckigen Städten, manchmal mit modernen Zentren, kleinen Siedlungen und der totalen Pampa. Mit offenen Augen lassen sich gute Museen, Ausstellungen, Street-Art und besondere Plätze finden, die das Herz des interessierten Reisenden begeistern.

Naturliebhaber bekommen Dschungel, Urwald, Regenwald, Nebelwald und Vulkane mit ihren Vertretern aus der Tierwelt quasi auf dem Tablett serviert. Es lässt sich hervorragend Wandern und so brennt sich beispielsweise der Blick von einem Hang aus über einem See zwischen drei Vulkanen unvergesslich ins Gedächtnis ein.Dazu kommen Eindrücke, welche einem, auch wenn anders geplant, neue Welten eröffnen. Beispielsweise wenn man um 5:30 auf der Spitze einer Pyramide sitzt, um auf den Sonnenaufgang zu warten und stattdessen im dichten Nebel langsam die Tierwelt erwachen hört oder wenn man von Einheimischen im reifen Alter in einem Tempo durch den Regenwald geführt wird, dass man froh ist, nicht auf diese Weise einen Berg hoch laufen zu müssen.

Gefahren und Ärgernisse wie Höhlenwanderungen ohne jegliche Sicherheitsbestimmungen, das Verbringen einer unendlich langen Fahrt auf einem Holzhocker, das Sehen toter (und (noch) nicht ganz toter) Personen auf der Straße, Armut, Bettler, Diebe, unfassbar räudige Hunde und die Tatsache, dass es in manchen Gebieten wichtig ist, zu fragen, wo man sich um welche Uhrzeit sicher bewegen kann, verlangen fallweise nach einem großen Maß an Selbstständigkeit und Selbsteinschätzung.

So eine Reise ist ereignisreich und hat mit einem Urlaub nur gemein, dass man mal wo anders ist. Was uns auffällt, ist, dass wir uns im „Jetzt“ aufhalten, was sehr im Gegensatz zu unserem verwurzelten Arbeitsleben zuhause steht. Nachrichten der (online) Presse, egal ob aus Österreich oder der Welt, welche zuhause hin und wieder mal zu Mediendepression führen, verlieren ihre Wichtigkeit ohne asozial zu werden. Außerdem bewahrheitet sich unser Gefühl, dass Wahlen (wie im aktuellen Fall in Tirol) eher so ausgehen, wie wir uns das wünschen, wenn wir nicht mitwählen:) Natürlich vermissen wir von Zeit zu Zeit unsere Freunde und Familien, den mit Leckereien gefüllten Kühlschrank, die Couch, das Auto und das Bassspielen, das war´s dann aber auch schon im Großen und Ganzen. Der Kontakt mit unseren Liebsten funktioniert per Skype, eMail und Blog sehr gut und gibt uns die Gelegenheit von unserer Reise zu berichten, denn Internet gibt’s überall und fast immer kostenlos.

Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einschätzen, was mir die Erfahrungen dieser Reise für mein weiteres Leben bringen werden – ein weiteres Stück an Reife und Lebenserfahrung auf jeden Fall. Den Wunsch nicht mehr zu arbeiten sicher nicht. Letztlich wird sich zeigen, ob und was ich aus den Erfahrungen machen werde. Der Wunsch, Reisen, Fotografieren und Schreiben zum Lebensunterhalt und Lebensinhalt zu machen, hat sich bei Baby und mir jedenfalls erneut intensiviert und manifestiert. Wir werden ihn dem Universum auf unserer Reise noch oft mitteilen und sind auf Antworten, Hinweise und Angebote gespannt.

Abschießend noch die Antwort auf eine Frage von Pascale, ob wir uns denn schon verändert haben: so weit wir das beurteilen können, nein. Keine Angst, wir kommen auch wieder zurück (sehr wahrscheinlich auch wie geplant). Unsere Meinung, dass Reisen gut und wichtig ist, hat sich nicht geändert und gilt nach wie vor für uns. Hippieesque Aussteigertendenzen beziehen sich nach wie vor auf den Wunsch mal ein Steinhaus an „unserem“ Platz zu finden, welcher wie es aussieht, eher nicht in Mittelamerika liegt.

In diesem Sinne verabschieden wir uns von Mittelamerika mit einem von Herzen gemeinten „PURA VIDA“ und machen uns auf Richtung Äquator, nach Südamerika.