Die Wohnung der Ibarra Schwestern hat Flair – deshalb sind wir von der Backpackerunterkunft „The House Project“ im Viertel Miraflores hierher umgezogen – ist aber leider auch arschkalt. Monsieur steht seit unserer Ankunft vor einer knappen Stunde auf dem Balkon und fotografiert. Jetzt macht er sich auf Fotoasafari durch die Wohnung und hinaus ins Stiegenhaus, wo er gestern nach der Besichtigung schon DAS perfekte Foto geschossen hat. Er kriegt sich gar nicht mehr ein von wegen: dieses Ambiente, diese Kulisse, filmreif usw. – und er hat recht. Hier könnte mensch einen schönen Film drehen und ein gutes Buch schreiben. Eine tolle Unterkunft in einer Oma-Wohnung, wo die letzte Renovierung ewig her oder nie passiert ist. Das ganze ist spottbillig. 35 Soles pro Nacht, das sind 9,50 €. Im House Project haben wir in der ersten Nacht für einen Dorm schon 19 € gezahlt, für ein Doppelzimmer in der zweiten Nacht 30€. In Miraflores ist es teuerer, angeblich sicherer und auf jeden Fall gringoiger. Rund um den Parque Kennedy gibt es viele Backpackerunterkünfte, den Hoppeldipoppelbus, McDonalds, Pizza Hut, Burger King usw. Kurzum Gringoviertel, aber nicht so schlimm wie selbiges in Quito. Hat ja auch seine Vorteile.
So zum Beispiel, als wir vorgestern mitten in der Nacht ankamen, da wir 6 (!!!) Stunden im Stau gestanden sind. Eigentlich hätten wir um 18:00 in Lima eintreffen sollen, tatsächlich war es 1:30. Große Stadt, keine Unterkunft, mitten in der Nacht. Bislang hat sich so eine Situation immer vermeiden lassen, aber jetzt war es soweit. Mit einem Taxi ließen wir uns zu einer Lonely Planet Unterkunft bringen, die jedoch voll war. So ging es dann weiter. Da die Gegend eine ziemliche Partyzone ist, waren noch jede Menge Leute unterwegs. Wir klapperten mehrere Hostels und Hotels ab und landeten gegen 3:00 im Burger King, womit ich bei den Vorteilen eines Touristadtteils wäre. Auch der Starbuckskaffee am nächsten Tag war nicht unbedingt zu verachten. Es gab jedenfalls zwei Optionen für eine Übernachutng: ein Hotelzimmer für 430 Soles (116 €) oder zwei Betten in einem Schlafsaal für je 34 Soles. Wie oben schon erwähnt wurde es der dorm und es war auch nicht wirklich eine Frage. Allerdings waren wir von der 16,5 stündigen Busfahrt, wenn auch gute Semi-Cama-Sitze der Firma ITTSA Bus, total gerädert. Ich hatte absolut keine Lust auf einen stinkigen Schlaafsaal mit Geschnarche und sämtlichen Ausdünstungen und wir hatten Glück – wir waren die einzigen. Gegen 4:00 fielen wir in unsere Betten. Monsieur war noch zu überdreht und musste noch ein bisschen surfen, ich las mich schnell in den Schlaf.
Der nächste Tag startete mit einem netten Frühstück, das immerhin im Preis inbegriffen war, dann fuhren wir mit der völlig überfüllten Metropolitana, die keine U-Bahn, sondern ein Bus ist, ins Zentrum. Wir spazierten vom Justizpalast zum Plaza San Martín, wo eine große Statue von Martín, dem Befreier auf seinem Pferd zu sehen ist. Nette Anekdote am Rande: davor steht eine weibliche Statue mit einem kleinen Lama auf dem Kopf. Das ist die Madre Patria und das Lama sollte eigentlich eine Krone aus Flammen werden. Llama bedeutet auf spanisch aber sowohl Flamme als auch Lama und so trägt die Gute also ein kleines Lama auf ihrem Haupt. Wir wanderten weiter die Jíron de la Union entlang bis zum Hauptplatz, der Plaza Armas. Hier gab es jedoch erst mal kein Durchkommen, da der gesamte Platz von allen Seiten durch die Polizei abgesperrt war. Angeblich wegen Studentenprotesten. Wir hatten davor etwa 20 StudentInnen mit ein paar Plakaten gesehen, mehr nicht. Später erfuhren wir, dass es derzeit tatsächlich im ganzen Land Streiks und Proteste aufgrund zweier neuer Gesetze betreffend eingeschränkter Autonomität für Unis und irgendwelche Machtgeschichten bei den Beamten gibt. Außerdem ist Korruption nach wie vor und immer wieder ein großes Thema. Die Leute regten sich ob der Absperrungen jedenfalls erfrischenderweise ziemlich auf und ließen den Polizisten keine Ruhe. Die eine müsse zu ihrer Familie und da gibt es keinen anderen Weg als über den Platz, eine andere musste in die Arbeit usw. Ich empfand das als unheimlich wohltuend, dass sich Leute endlich mal aufregen.
Meistens wundere ich mich ja hierzulande über die scheinbar totale Gleichgültigkeit mit der Dinge hingenommen werden. Auch bei der gestrigen Busfahrt oder sollte ich treffender sagen Bussteherei, gab es so gut wie keine Klagen – ich meine, ja was will mensch schon machen, lässt sich eh nicht ändern. Aber ein bißchen Schimpfen und zumindest Fragen wäre doch normal. Es gab schließlich auch so gut wie keine Information. Nur am Anfang die Durchsage, dass es kein Durchkommen gibt, wir warten müssen, die Türen aber geschlossen bleiben!!! Fragen kamen erst nach Stunden und es gab eine Frau, die leicht genervt war. Wir fragten die Stewardess zweimal, ob wir nicht vielleicht doch mal aussteigen könnten, um eine Zigarette zu rauchen. Nein, können wir nicht. Die Türen werden aus Sicherheitsgründen nicht geöffnet. 6 Stunden lang!!! AAAAAAhhhhhhh !!!!! Da könnte mensch schon ausflippen.
Jedenfalls wurden wir Touris letztlich doch durch die Absperrungen zum Plaza Armas eingelassen. Wir hatten natürlich ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass wir hinein dürfen und die Einheimischen nicht. Dafür war es drinnen am Platz wie ausgestorben. Hauptsächlich Polizisten unterwegs, Demonstranten haben wir keine gesehen, dafür Tränengas gerochen und gespürt – unangenehmes Zeug! Der Platz selbst ist wunderschön. Wir haben im Schnelldurchlauf die sehr große Kathedrale mit unzähligen Altären und ihrer Gruft besichtigt. Eigentlich wollten wir aber zum Franziskanerkloster mit seinen Katakomben. Wir erwischten gerade noch die letzte Führung des Tages und sahen sehr viele alte Knochen und Schädel aufeinandergehäuft. In so einer Gruft wird einem jedenfalls nicht kalt. Das Schönste war aber die Bibliothek in den oberen Gemächern. Gerne wäre ich dort geblieben und hätte in den uralten Büchern zu lesen begonnen. Aber natürlich durfte mensch nur vom Eingang aus einen Blick hineinwerfen. Gegenüber konnten wir eine Dame beim Bücher abstauben und restaurieren beobachten. Wenn ich im nächsten Leben keine Archäologin werde, dann Bücherabstauberin.
Nach unserer Stadttour waren wir ganz fein essen im Chili´s. Ich habe das erste Steak meines Lebens gegessen und war sehr zufrieden damit.
Der nächste Tag ging mehr oder weniger damit drauf uns einen Flug nach Iquitos zu checken. Nachdem das erledigt war, genehmigten wir uns endlich mal einen Pisco Sour im Hotel Bolivar und ich muss meinem Dad recht geben, sehr lecker dieser drink – fährt auch ordentlich ein. Einmal noch schlafen, dann ist´s soweit. Amazonas, wir kommen!!!
2 Responses to Kühles (K)lima
Nochamal kurz zur Dokumentation: I hab den Titel jetz gecheckt. „Kühles (K)lima“ – HA! Ein Wahnsinnskracher!!
Sincerely yours,
Blitzgneisser B.
hej bru,
ich hab sofort gefunden dass der titel was für feinspitze ist 🙂