Es hat tatsächlich funktioniert – wir sind mit dem Chickenbus gefahren – ein Träumchen für Baby, welche den hier üblichen „wir karren Touristen mit Minibussen durch die Pampa, damit sie sich nicht fürchten“- Sager über hat. Der Chickenbus ist der öffentliche Bus in Guatemala. Ursprünglich ausgemusterte Schulbusse aus den USA stellen die liebenswert bemalten Busse das Verkehrsmittel der Guatemalteken dar. Aufgrund der wahnsinnigen Leistungsreserven der Busse, schließlich stecken ernsthafte LKW Motoren unter den Hauben, wird hier hineingepackt, was geht. Die Sitze wurden für die Größe von Schulkindern konstruiert, was soviel bedeutet, als dass locker drei Guatemalteken inklusive Gepäck auf einen Zweiersitz passen. Als Europäer wird’s demnach schon richtig eng! Die komplette Dachfläche ist eine riesige Open-Air-Gepäckablage, auf der alles festgezurrt wird, was größer als eine Handtasche ist. Den Namen Chickenbus haben die fahrbaren Untersätze übrigens daher, dass normalerweise auch jede Menge Hühner mitfahren, um beim nächsten Markt in Quezales umgewandelt zu werden. Ich sage normalerweise, denn bei uns waren keine Hühner im Bus, nur so viele Menschen, dass wir uns jetzt vorstellen können, wie sich Hühner in einer Legebatterie fühlen – vielleicht, kommt der Name „Chickenbus“ ja auch daher.

Egal, irgendwann kommen wir am Lago in Panajachel an und es ist anders als erwartet. Laut den Ausführungen der zwei Reiseführer, die wir mithaben und allen bisher getroffenen Reisenden, ist der Lago Atitlan ein entspannter Ort zwischen drei Vulkanen mit einem schönen See, wo man die Seele baumeln lassen kann. Panajachel fällt schon mal aus. Es gibt eine Einkaufs- und Barstraße, wo aus jeder Ecke Musik in trommelfellzerfetzender Lautstärke auf die Straße donnert. Auch der Preis der zwei Bier die wir hier erst mal trinken entspricht nicht so ganz den Beschreibungen unserer Geheimtippliteratur. Also schnell auf eines der unzähligen Boote und auf nach

San Pedro, welches als lauschiges Plätzchen mit den niedrigsten Zimmerpreisen von ganz Zentralamerika gehandelt wird. Unser Zimmer kostet €15.- und kratzt damit eher oben an unserer Reisezimmerpreisskala. Abgesehen davon ists auch nicht wirklich lauschig hier, eher partybombastisch. Den nächsten Tag verbringen wir damit, eine alternative Unterkunft zu finden, was uns nach San Marcos bringt, wo sich jede Menge Hippies niedergelassen haben. Begleitet von Trommelklängen gehen wir die engen Gassen zwischen Urwald, Massageliegen und spirituellen Zentren ab, bis wir wieder flüchten. Plan gescheitert, wir bleiben im Hotel Pinocchio.

Viele, die diesen Satz zu ende lesen, werden sich fragen, ob wir den Verstand verloren haben, aber wir brauchen mal Urlaub! Natürlich haben wir das Privileg diese spannenden Länder zu bereisen, abgesehen davon haben wir uns die Route auch noch selber ausgesucht. Für euch und in der Euphorie des Reisens haben wir bisher in unseren „Redaktionsmeetings“ beschlossen, möglichst positiv über alles, was uns unterkommt zu berichten. Doch das ist selbstverständlich nur ein Bruchteil dessen, was täglich auf uns einströmt und will verarbeitet werden. Deshalb das Bedürfnis nach einem ruhigen, schönen und leistbaren Ort. Um die Sache kurz zu machen, der Lago Atitlan ist es nicht. Trotzdem ist es hier aus vielen Gründen interessant.

Erstens gibt’s hier Mike, Amerikaner, 56 Jahre alt, der hier gerade Vögel beobachtet und mir drei Tage lang, in oftmals lustigen Monologen, seine Sicht von Amerika schildert. Nachdem er der erste Amerikaner ist, mit dem ich das ernsthafte Vergnügen habe, höre ich aufmerksam zu und versuche in den kurzen Momenten, die er zum Luftholen braucht, Fragen zu stellen. Ich lerne viel.

Dann gibt’s da noch Joe aus Wales, welcher den Doppelgänger von Herrn Leitner nicht nur optisch sondern auch in Trinkfestigkeit darstellt. Ihn werden wir vielleicht kommende Woche in Nicaragua wieder treffen. Generell bewahrheitet sich die Aussage, dass man auf einer langen Reise immer wieder die selben Leute trifft. Da gibt’s das Mädchen von der Pyramide in Tikal, die ebenfalls in San Pedro ist, den Typen, den wir mal in einem Bus irgendwo gesehen haben und viele andere.

Es ist wiedermal recht früh am Morgen und wir beschließen ein Boot nach Jaibalito zu nehmen. Jaibalito ist eines der Dörfer am Nordufer des Sees, welches fast ausschließlich von Indigenes (Ureinwohnern) bevölkert wird. Ich muss sagen, hier am See machen mir die Bootsfahrten den meisten Spaß, solange ich nicht vorne in einer der ersten Reihen sitze, denn gefahren wird vollgas und die Wellen sind nicht ohne. Wer vorne sitzt, ist am anderen Ufer klatschnass. Abgsehen davon sind die Bootsfahrten ein günstiges Vergnügen und wenn man nicht nachfragt, was die Fahrt kostet, sondern irgendeinen Betrag gibt, wird’s noch günstiger.

In Jaibalito angekommen, werden wir von Kindern wie Außerirdische beäugt. Hier ist tote Hose (touristisch gesehen), gleichzeitig finde ich diesen Ort irgendwie erholsam. Wir suchen uns einen Weg nach Tzununa, dem nächsten kleinen Ort. Der Weg führt mehr oder weniger steil und anstrengend direkt an den Hängen oberhalb des Sees entlang und bietet atemberaubende Ausblicke, welche es durch die Redaktionssitzung bis hier in den Blog geschafft haben. Auf unserem Weg kommen wir bei einer Lodge vorbei, die uns schon auf einer der Bootsfahrten aufgefallen ist. Ja, das wäre genau das, wonach wir suchen – absolute Ruhe, eine Terrasse zum niederknien, ein Ausblick zum sich verlieren, genauso wie der „Infinity Pool“. Der Preis von $90.- erscheint uns mehr als angemessen, übersteigt aber leider unseren Horizont. Also gehen wir den Rest des schönen Weges zu Ende und sitzen am Abend beglückt und zufrieden bei einem Bier am Pier (hui, krasses Wortspiel).

Wir verlängern noch eine Nacht, um am Karfreitag nach Santiago zu schippern, wo einerseits wiedermal eine der Osterprozessionen stattfindet, andererseits und viel interessanter auch dem Herrn Maximon Opfer dargebracht werden, welcher in Form einer mit unzähligen Krawatten behängt, Zigarre rauchend, als der große Gegenspieler von Gott gehandelt wird. Auf dem Boot sitzen wir in der zweiten Reihe und steigen durchnässt auf dem wackeligen Steg aus. Santiago hat absolut keinen Charme auch wenn die Messe, mit langer Schlange zu Jesus am Kreuz, inkludierter Fussküssung und folgender Prozession mit fast ausschließlich einheimischer Bevölkerung durchaus etwas für Auge und Hirn bietet. Herr Maximon ist dagegen unfassbar unspektakulär, jedoch mindestens so skurril wie erwartet.

Den letzten Abend verbringen wir einmal mehr mit dem Amerikaner Mike auf der windigen Dachterrasse, um möglichst spät ins Bett zu kommen, damit wir den Großteil der morgigen Fahrt nach San Salvador verpennen.