San Salvador ist nicht uninteressant – ein Entwicklungsland, das meinen Horizont von Arm und Reich, alt und neu, erweitert. Irritierender Weise ists hier sau teuer – das Zimmer in der untersten Kategorie unseres Reiseführers kostet $30.- und wird gerne von Mitgliedern des Friedenskorps besucht, vielleicht wegen den Kondomen an der Rezeption. Die Unterkunft liegt in einer „sicheren“ Zone, umgeben vom Sieg der amerikanischen Wirtschaft, in Form eines riesigen Einkaufszentrums, Burgerking und Konsorten. Fast jedes Geschäft wird von Schrotflinten tragenden Sicherheitsleuten bewacht. Die Quote für illegalen Waffenbesitz liegt in San Salvador bei ca. 65%.

Auch sonst muss ich sagen, dass dies keine Stadt für mich ist. Trotz dem eigentlich idiotensicheren Strassenraster fällt es mir schwer mich zu orientieren, Dreck und Müll sind omnipräsent. Auf der Suche nach Kulturellem besuchen wir die Kathedrale. Hier liegt Oscar Anulfo Romero begraben, ein sich derart für das arme Volk aufopfernder Priester, dass er letztenendes von der Regierung erschossen wurde. Es findet gerade eine Messe statt. Die Kombination aus abgrundtief schlechtem Klavierspiel und glasssprengendem Gesang ist berührend. Spätestens, nachdem mich eine alte Dame, der ich kein Geld als Almosen gebe, schlägt, bekommt die Reise eine neue Dimension für mich. Ich brauche erst mal eine Verschnaufpause, bezahle einer anderen Dame ein Essen und bin mir sicher, dass diese es nicht so nötig hat – auch das ist Reisen am Ostersonntag.

Später sehen wir eine überaus eindrucksvolle, moderne Kirche, die den Besuch in dieser Stadt rechtfertigt, fahren Bus (billig), Taxi (teuer, weil Taxifahrer generell kein Wechselgeld haben) und essen im Burgerladen. In der Hoffnung, dass wir noch eine Busverbindung für morgen nach Managua finden, wird’s langsam Abend.

Einen Tag später kann ich anmerken, dass wir hier festsitzen, denn die ersten verfügbaren Bustickets raus aus San Salvador sind für übermorgen.

Wir haben den Tag damit verbracht, ebendiese Tickets zu erhaschen und dazu einmal mehr an einer Hauptstadt in Zentralamerika geschnuppert und gelauscht. Die Stadt wirkt wie auf Kokain. Die minderjährig erscheinenden Busfahrer legen einen Fahrstil an den Tag, der mich an mein allererstes, adrenalingeprägtes Jahr als Autofahrer erinnert – gefährlich schnell aber reaktionsstark. Dazu bombt das Autoradio Latino-techno Beats in der Lautstärke einer Grossraumdisko. Als ich den Bus nach einer fünf minütigen Fahrt verlasse, bin ich benommen und stolpere schnurstracks zwischen zwei Strassenstände, die ebenfalls mit ohrenzerfetzenden Anlagen kopierte CDs verkaufen. Je weiter wir gehen, desto mehr fällt mir auch die Geruchskomponente des riesigen Marktes auf und die Idee, auch mal Indien zu bereisen, rückt in weite Ferne. Mit Baby trotte ich noch drei Stunden zu irgendeiner Universität, die sie sich ansehen will, nur um dehydriert dort festzustellen, dass wegen Ostern noch immer geschlossen ist – wir können aber gerne morgen wiederkommen, denn da ist wieder geöffnet. Nach einer weiteren Busfahrt mit beinahe Unfall erreichen wir wieder das moderne amerikanische Einkaufszentrum und finden einen Supermarkt, wo wir die Zutaten für einen Wurstsalat besorgen. Paprika, Tomaten, Mais, etwas Ähnliches wie Schinken und Käse sowie Apfelessig und ein paar Wodkalemon Softdrinks kosten $18.- das ist absurd! Also trotten wir wieder in unsere kameragesicherte Hochsicherheits- Unterkunft, um hinter Gittern und Stacheldraht, im Gefängnisinnenhof unseren Salat zu futtern. Ein Abendspaziergang entfällt, weil einerseits das Einkaufszentrum keinen Reiz hat und wir uns andererseits den Nervenkitzel in die umliegenden, unsicheren Gegenden zu gehen, ersparen wollen.

Die Nacht war so mies wie die Matratze, die schon lange ihre durchschnittliche Lebensdauer hinter sich hat. Ja, ihr lieben schneeverwöhnten Österreicher, hier hat´s 35 Grad und es kühlt am Abend auch nicht ab. Also bleibt nur die Wahl zwischen lauter uralt Klimaanlage direkt am Kopfende des Bettes oder Sauna. Das Ergebnis ist das Selbe: schlafen is nicht.

Ich verbringe den heutigen Tag damit San Salvador zu ignorieren, Baby alleine zur Universität fahren zu lassen und auf die morgige elf Stunden Busfahrt zu warten, die uns in die nächste Hauptstadt, Managua bringen wird. Zwei Softdrinks später sehe ich dem absurder weise schon etwas optimistischer entgegen.

p.s.: so gerne ich mehr „echtes Leben“ in den Fotos des Artikels zeigen würde, noch bin ich nicht so weit. Sollte Managua ähnlich charmant wie San Salvador sein, werde ich meine Sicherheitsbedenken über Bord werfen und meine Kamera an den hässlichen Plätzen der Stadt zücken, nur um herauszufinden, was dann passiert.

p.p.s.: natürlich darf man auf keinen Fall von einer Stadt, schon gar nicht meiner Beschreibung davon, auf ein Land schließen. El Salvador ist laut Berichten und Reiseführern scheinbar wunderschön und interessant (wie so ziemlich jedes Land auf dem Planeten). Ich meinerseits, werde es für dieses Mal dabei belassen und mich dafür ümfassender in Nicaragua umsehen.